Wie im Blogartikel "Angstbewältigung mit Hilfe einer Strategie im Sinne des NLP" erwähnt, stand für mich ein lange vorher gebuchter Urlaub mit Flug an - trotz Flugangst.
Die Panikattacke in der Arbeit war ca. einen Monat zuvor. Da zum damaligen Zeitpunkt selbst alltägliche Dinge gewisse Ängste in mir hervorriefen, wusste ich (noch) nicht, wie ich den Flug schaffen sollte. Meine schlimmste Vorstellung: Ich sitze im Flugzeug, das bereits auf die Startbahn zufährt und mich merke, wie meine Nerven so stark kribbeln, dass ich nicht mehr richtig atmen kann. Es kommt zu einer gefühlten Atemnot mit anschließender Panikattacke, während das Flugzeug mit seiner ganzen Kraft abhebt und tausende Kilometer weit in den Himmel abhebt.
Da mir die beschriebene Situation bereits außerhalb eines Flugzeuges passiert ist, war die Vorstellung in meinem Kopf begründet.
Noch kurz die Vorgeschichte zum Thema Fliegen:
Mein erster Flug war mit 19 Jahren. Meine längere Erkrankung aufgrund des Pfeifferischen Drüsenfiebers und anschließender Angststörung war zu diesem Zeitpunkt ca. 1 Jahr her. Ich fühlte mich soweit wieder gut und wusste, dass ich meistens problemlos Auto fahren konnte. Auch Zug, Schiff und Bus war für mich soweit in Ordnung.
Also dachte ich, dass auch der Flug für mich keinerlei Schwierigkeiten bereiten konnte.
Da es mein erster Flug war, war ich aufgeregt wie ein kleines Kind. Endlich war es soweit und wir durften den Gang entlanglaufen, der direkt ins Flugzeug führte. Es war spannend, über die Verbindungstüre das erste Mal in ein Flugzeug zu steigen.
Ich sah die unendlich viele Sitzreihen, die Enge und schon war sie wieder da: Die Angst. Sie war so intensiv, dass sie mir in den ganzen Körper kroch. Wie gelähmt setze ich mich auf meinen Fensterplatz und hatte Angst. Das Flugzeug startete und ich wusste nicht, was mich gleich erwarten würde. Als der Flieger abhob baute sich so ein Druck in meinem Kopf auf, dass ich das Gefühl hatte, er würde mir zur Seite kippen. „Alles oke bei dir?“, fragte mich meine Freundin. „Mhm“, nickte ich und hatte Angst. Als das Flugzeug auf seiner Höhe angekommen war, konnte ich mich wieder entspannen. Bei der Landung hatte ich ein leicht flaues Gefühl im Magen und die steilen Kurven direkt über dem Meer zum Flughafen waren für mich beängstigend.
Obwohl der Urlaub sehr schön war, machte ich mir Sorgen um den Rückflug.
Beim Start legte das Flugzeug aufgrund der kurzen Start- und Landebahn einen absoluten Turbostart hin, was mich aus dem Konzept brachte, weil ich mich auf das Gefühl beim letzten Start eingestellt hatte. Oben in der Luft konnte ich mich wieder entspannen. Wir hatten ein paar Turbulenzen, bei denen meine Angst wieder kam. An die Landung kann ich mich aktuell nicht mehr erinnern; wird wohl ungefähr so gewesen sein wie beim Hinflug.
Ein zweites Mal bin ich noch mit meinem Mann (damals noch Freund) geflogen. Er wusste von meiner Angst und konnte mich gut unterstützen. Genaue Erinnerungen habe ich hierzu nicht mehr, außer, dass ich mich in jeder freien Minute an ihn gedrückt habe um Sicherheit und Geborgenheit zu finden. Muss wohl einigermaßen geklappt haben :)
Nun zum Flug nach Málaga:
Nun stand der dritte Flug an und ich wusste einen Monat vorher nicht, wie ich ihn schaffen sollte. Schon beim Buchen des Fluges ein Jahr zuvor hatte ich Herzrasen. Es wäre ein Grund gewesen, den Urlaub gar nicht erst zu buchen. Da es aber ein Yoga-Retreat mit meiner tollen Yogalehrerin und -ausbilderin war, wollte ich unbedingt daran teilnehmen. Glücklicherweise saß sie mit mir im gleichen Flieger. Sie holte mich von zu Hause ab und die Reise ging los:
An diesem Tag hatte ich, genauso wie die Tage zuvor, fleißig meine Strategie geübt (siehe "Angstbewältigung mit Hilfe einer Strategie im Sinne des NLP"):
Ich lege meine Hand auf meinen Solarplexus (Bereich überhalb des Bauchnabels. Dadurch kann ich Verbindung mit kindlichen Persönlichkeitsanteilen herzustellen, welche aufgrund von Vorerfahrungen negativ geprägt sind, was sich bis heute noch auswirkt.)
Ich führe ein autogenes Training durch und leite mich dabei in Gedanken selber an: „Meine Arme werden ganz schwer, meine Beine werden ganz schwer, …“
Ich wiederhole innerlich meine Glaubenssätze
Positives und gestärktes Gefühl, mit dem ich meine Strategie beende
Dieses Ritual hat mir anschließend ein gutes Gefühl gegeben. Ich übte außerdem, während ich mir ein Foto von einem Flugzeug anschaute und mir Start und Landung visualisierte. Hier merkte ich, wie bereits die Bilder für negative Emotionen sorgte. Für mich war mehr mentale Anstrengung notwendig, um den Prozess ebenfalls positiv beenden zu können.
Nun stand meiner Yogalehrerin im Caprio vor unserer Haustüre und ließ mich einsteigen. Da mein Koffer größer war wie der restliche Platz im Kofferraum, musste ich auf der Rücksitzbank sitzen (was mir Angst macht) und mein Koffer nahm auf dem Beifahrersitz platz. „Geht´s bei dir?“, fragte mich mein Mann mit sorgenvollem Blick. Ich nickte durch die bereits geschlossene Türe.
Die Fahrt ging los und meine Yogalehrerin und ich unterhielten uns. In solchen oder ähnlichen Situationen fangen meine Nerven an zu kribbeln; selbst, wenn ich mit meinem Mann im Auto fahre.
Wir holten noch eine andere Yoga-Teilnehmerin zu Hause ab und fuhren von da an mit ihrem VW-Bus zum Flughafen. Da ich hier auch hinten sitzen musste bzw. wollte, weil ich nicht gleich zu Beginn meine Schwäche zeigen wollte, visualisierte ich mir die Situation bereits zu Hause mit Hilfe meiner Strategie. Meine Nerven kribbelten die ganze Fahrt wie verrückt, ABER: Ich fühlte mich sicher und wohl! Das war ein Erfolg für mich und stimmte mich positiv für den Flug.
Am Flughafen konnte ich mich gut entspannen. Die andere Yoga-Teilnehmerin, eine Lehrerin, schleuste uns gekonnt durch den Flughafen. Es lief alles glatt und wir warteten auf das Boarding.
Wir wurden aufgerufen und meine Nervosität stieg an. Jetzt realisierte ich, dass ich gleich mehrere Tausende Meter in der Höhe sein werde. Ich spulte meine trainierte Methode ab. Die restliche verbliebene Angst versuchte ich anzunehmen.
Ein Bus fuhr uns zum Flieger und ich war wieder total entspannt. Dann sah ich zum ersten Mal unser kleines Flugzeug. Ich war zum Einen fasziniert und zum Anderen etwas verunsichert. Über eine Treppe stiegen wir ins Flugzeug ein.
Ich beruhigte mich durch meine Strategie und stelle dabei aber fest, dass ich mit meiner Hand auf dem Solarplexus kein Gefühl der Sicherheit mehr erzeugen konnte, wie es in der Übung noch der Fall war. Also konzentrierte ich mir nur auf ein kurzes autogenes Training und meine Glaubenssätze. Das half mir weiter.
Ich kletterte die Treppen nach oben: „Ich schaffe das, ich schaffe das“. Diesen Satz hatte ich zuvor nicht auf dem Schirm, aber er kam mir in diesem Moment in den Kopf und half mir. Und die große Überraschung: Ich begrüßte lächelnd die Flugbegleitungen, war im Flugzeug und hatte KEINE Angst! „... ist ja wie in einem Bus - total entspannt“, dachte ich mir erleichtert. Ich suchte mir meinen Platz, meine Yogalehrerin und die andere Teilnehmerin saßen weiter vorne. Neben mich setzte sich eine spanische Familie. Im ersten Moment war mir dabei unwohl, weil ich mich im Notfall nicht mit ihnen verständigen konnte.
Meine Angst nahm zu und ich wiederholte meine Strategie. In meinem entspannten Zustand kam mir ein neuer Gedanke: „Um mich herum sitzen viele Familien. Die Eltern können sicher mit Notsituationen anderer Menschen umgehen.“ Das beruhigte mich. Außerdem gab ich der ganzen Situation einen neuen Rahmen: Ich fühle mich wohl unter meinen Mitmenschen, das Flugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel und die Piloten und Flugbegleiterinnen sind top ausgebildet. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit umgab mich.
Das Gefühl verschwand zwar bald darauf wieder, aber ich wiederholte sowohl meine Strategie, als auch das neue Framing andauernd.
Nach einer Stunde Wartezeit im Flugzeug rollte es los. Mein Herz explodierte beinahe vor Nervosität. Meine Strategie half mir. Wir fuhren um eine Kurve und wieder stieg die Nervosität in mir hoch, gefolgt von meiner Strategie. So ging es noch einige Male weiter, bis wir unsere Startbahn erreicht hatten. Das Flugzeug nahm Geschwindigkeit auf. Ich hatte gehofft, wir wären bereits abgehoben. Leider nicht... Das Flugzeug hob mit zwei wellenartigen Bewegungen ab. Das einzige, was ich sehen konnte, waren die vorderen Sitzreihen, die sich gefühlt auf mich zubewegt hatten. Im ersten Moment war ich etwas überfordert mit den Kräften, die auf mich einwirkten. Einen Moment später wiederholte ich meine Strategie und merkte, dass ich mich tatsächlich wieder entspannen kann. Es gab wieder einen wellenartigen Aufstieg und einige Ruckler, bei denen ich mich beinahe am spanischen Familienvater neben mir festkrallte. Ich bekam es mit der Angst zu tun und versuchte mich wieder zu beruhigen, was ich so einigermaßen hinbekam. Einige Ruckler, Kurven und Auftrieb später und schon wurde der Flug ruhiger.
Ein weiteres, neues Angstgefühl kam dazu, auf das ich nicht vorbereitet war:
Ich hatte auch vor der Höhe Angst. Unerwarteter Weise konnte ich mich durch meine anwesenden Mitmenschen beruhigen und drehte mich weg vom Fenster, in deren Richtung.
Ich erkannte zum ersten Mal, dass andere Menschen kein Angstfaktor sein müssen, sondern mir Sicherheit und Geborgenheit vermitteln können. Selbst, wenn ich sie nicht kenne und wir uns nicht unterhalten (können). Solange ich nicht aus dem Fenster schaute, ging es mir gut. Ich lehnte mich sogar am Fenster an, hörte Musik, laß ein Buch und konnte sogar eine Kleinigkeit essen. Ich war total entspannt und die Zeit verging beinahe wie im Flug. ;)
Für das ein oder andere Foto wagte ich einen kurzen Blick nach draußen und freute mich sehr, dass ich den kurzen Moment erwischte, als wir das Festland wieder erreichten.
Ca. eine halbe Stunde vor der Landung begann das Flugzeug wieder langsam zu sinken. Meine Anspannung stieg wieder leicht an. Ich wiederholte meine Strategie, was mir diesmal leichter fie, weil ich wusste, dass es auf das Ende des Fluges zugeht.
Beim Landeanflug folgten einige Ruckler und Kurven, die mir erstaunlicherweise gar nichts mehr ausmachten. Ich gab der Situation auch hier einen anderen Rahmen. Und zwar erinnerte ich mich an meinen letzten Ausritt mit meinem Pflegepferd, bei dem wir auch kurz bergab gingen. Ich stellte mir vor, dass wir gerade durch den Wald reiten und es bergab ging. Die Turbulenzen im Flieger ersetzte ich durch Stolperer von meinem Pferd.
Wir drehten noch ein paar steile Kurven (auch kein Problem für mich) und bald kam der Moment, als ich erkannte, dass wir uns bereits auf dem Flughafengelände befanden. Das Flugzeug setzte sanft auf und bremste vorsichtig ab. Meine Erleichterung war so groß, dass ich im ersten Moment Freudentränen in den Augen hatte. Im Flughafengebäude lief ich meinen beiden Yoga-Begleiterinnen strahlend entgegen. Ich hatte den Flug geschafft und es ging mir (eigentlich) wunderbar. Ich hatte eben nur ziemlich daran zu arbeiten, dass es mir gut gehen konnte.
Fazit:
Obwohl der Start für mich herausfordernd war, glaube ich, dass ich in einigen Momenten vielleicht sogar entspannter war, als andere Mitmenschen im Flugzeug - ausgenommen meine Yogalehrerin, die den ganzen Start verschlafen hatte :)
Indem ich bewusst auf meine Ängste schaue, scheint es als würden sie sich dadurch vergrößern. Da ich sie mir allerdings nicht nur anschaue, sondern an einer Lösung arbeite und diese bestmöglich umsetze, habe ich dadurch viel Stärke gewonnen.
(Vielleicht ging es mir sogar besser als dem ein oder anderen Menschen im Flugzeug, der seine Angst nur leicht/mittel einstufen würde und keine Strategie hat...?)
Eine weitere wichtige Erkenntnis war, dass die Visualisierungen in Verbindung mit meiner Strategie sehr hilfreich waren, die Realität doch nochmal etwas anderes ist. Hier möchte ich den Tipp mitgeben, dass sich ein möglichst genaues Visualisieren und Reinspüren in die Ängste für mich gelohnt hat, um auf gute Lösungen zu kommen, die mir dann auch in veränderten Situationen helfen.
In meinem Fall hilft mir in leicht angstvollen Situationen die Hand auf dem Solarplexus sehr gut und ich beginne schon automatisch mit meinem autogenen Training. In angstvolleren Momenten half mir der erste Schritt nicht so sehr, dafür war das autogene Training mit meinen Glaubenssätzen und der Reframing-Technik sehr hilfreich.
Auch wenn Fliegen nicht nur aus umwelttechnischen Gründen nicht so mein Ding ist, weiß ich, DASS ich es schaffe und vor allem auch WIE ich es schaffe, wodurch ich mir jetzt sicher bin, dass ich jede für mich schwierige Situation meistern kann. Falls restliche Angstgefühle übrig bleiben, nehme ich diese friedvoll an.
Und nun heißt es für mich „Üben, üben, üben“, sodass ich meine Strategie irgendwann gar nicht mehr benötige… 😊
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